Schülerzeitungsartikel: Erschienen in der ersten Ausgabe der Schülerzeitung des VHG Bogens VäHiG
Abenteuerliche Monate im Land der Vielfalt
„Hörst du Hip-Hop?“ Puh! Eigentlich wusste ich, dass diese Frage kommen würde. Hip-Hop, R’n’B und House sind nun mal die Musikrichtungen in Südafrika schlechthin. Aber trotzdem hatte ich keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte. Lügen und Ja-Sagen? Nein, garantiert nicht. Schon gar nicht am ersten Schultag gegenüber meinen neuen Mitschülern. Nein-Sagen? So gut wie unmöglich, ohne die Klasse vor den Kopf zu stoßen. Also die Ausweichmöglichkeit nehmen und sagen, dass ich so gut wie alles in Sachen Musik höre. Und tatsächlich: nach drei Monaten in Südafrika begegne ich sogar Hip-Hop mit neuem Wohlwollen.
Allerdings war mein Musikgeschmack nur ein kleiner Wandel in meinem Leben am Westkap. Der kleine Ort, Mossel Bay, mit etwa 40 000 Einwohnern, in dem ich landete, gilt als einer der sichersten in ganz Südafrika. Somit konnte ich ohne Probleme alleine den gut zwei Kilometer langen Schulweg antreten, der mich um kurz nach sieben Uhr jeden Morgen zur Sao Bras Hoerskool (Afrikaans: High School) führte. Wie der Name schon sagt, eine Schule auf der der Unterricht auf Afrikaans, eine der elf Amtssprachen Südafrikas, gehalten wird. Meine Lehrer waren sehr nett, sodass ich anfangs immer Extra-Erklärungen auf Englisch bekommen habe. Trotzdem war Englisch mein Lieblingsfach, da ich alles problemlos verstand und sich meine Sprachfertigkeit dadurch erheblich verbesserte.
Im Land der Regenbogennation fiel ich natürlich auch in der Schule auf. Denn eine schweizerische Austauschschülerin und ich waren die einzigen Weißen dort. Dementsprechend oft wurden meine blauen Augen begutachtet und ab und zu eines meiner blonden Haare gestohlen.
Ich lebte während meines Aufenthalts fast drei Monate bei einer farbigen Familie, verbrachte aber oft Wochenenden in anderen Orten am Westkap. Insofern hatte ich die einzigartige Möglichkeit viele verschiedene Familien und außergewöhnliche Gegenden kennen zu lernen - damit die ganz besondere Vielfalt Südafrikas.
Wie so oft im Leben gab es natürlich auch einige Probleme, die nicht verhindert werden konnten. Aufgrund dessen, dass ich bereits im September 2007 meinen Aufenthalt in Irland, der eigentlich acht Monate hätte dauern sollen, abgebrochen hatte, war es schwer, mich einzuleben, da ich immer noch die negative Erfahrung im Hinterkopf hegte und pflegte. Doch innerhalb kürzester Zeit überwand ich das Hindernis und legte mir selbst keine Steine mehr in den Weg. Des Weiteren war ich zugegebenermaßen ein Heimweh-Kandidat. Diese Sehnsucht plagte mich nämlich bis zur Hälfte meines Aufenthalts, teilweise auch zum Amüsement meiner Mitschüler.
Mit meiner Gastfamilie kam ich anfangs gut zurecht. Aber leider änderte sich meine Beziehung zu meiner Gastmutter, weswegen ich am Ende meines Aufenthalts noch die Prozedur eines Gastfamilienwechsels durchmachte. Das hat mich aber letztendlich nur stärker gemacht.
Überdies sind die Menschen in Südafrika sehr freundlich, gutherzig und fröhlich gelaunt. Die Männer sind wohl oft Machos. Deswegen wurde ich als Weiße in der hiesigen Schuluniform nicht nur einmal auf der Straße mit „Hello, pretty!“ angeredet. Heiratsanträge sind übrigens auch keine Seltenheit!
Neben Surf-Stunden, Kamelreiten, einer Jeep-Tour durch die Berge, einer Besteigung des Tafelbergs, einem Besuch im Township, einer Besichtigung einer Straußenfarm und des neuen WM-Stadions in Kapstadt erlebte ich viele großartige Momente, die ich nie vergessen werde.
Seit Oktober spuken die Menschen, die ich kennen gelernt habe und alles, was ich erlebt habe, unwiderruflich in meinen Träumen herum. So werde ich immer wieder daran erinnert, welches großes Glück mir widerfahren ist, diese Erfahrungen machen zu dürfen.
Das unterschiedliche Lebensniveau und die afrikanische Mentalität hat mir gezeigt, was ich alles in Deutschland schätzen sollte und was durch Erfindungsgeist das Leben reicher machen kann.
Letztendlich empfehle ich allen eine Fahrt im Taxi-Bus: 25 Leute im 16-Sitzer-Bus ändern Sichtweisen rapide und erlauben keine deutsche Distanziertheit mehr!